Mittwoch, September 28, 2005

Vom Helfen

Zum Helfen neigt, wer Mitleid fühlt,
vom Elend zeigt sich aufgewühlt,
oder dem eig'nen bösen Wollen,
durch gute Tat Tribut will zollen.
Posted by bo at 13:17
Categories: Aphorismen

Dienstag, September 27, 2005

Porsche im Größenwahn?

Automobilindustrie: VW-Beteiligung soll Porsche zweistellige Rendite bringen

Die Absichtserklärung der Porsche AG, 20 Prozent am Automobilkonzern Volkswagen zu übernehmen, ist eine gelungene Überraschung gewesen. An der Börse ist das Vorhaben zunächst abgestraft worden, die Porsche-Aktien gaben gestern bis zu 10% nach. Schon einen Tag später ändert sich die Sicht auf das Vorhaben. Porsches Vorstandsvorsitzender Wendelin Wiedeking, der - seitdem er das ehemals schwächelnde Familienunternehmen wieder auf die Beine gebracht hatte - als Management-Guru nicht nur in Deutschland gilt, geht diesen Schritt sicherlich nicht voreilig an. Schon lange arbeiten die beiden Firmen eng zusammen, wie die gemeinsamen Auto-Plattform Tuareg/Cayenne beweist. Somit verfügt Wiedeking über genaue Einblicke in die Volkswagen AG, die nachhaltig schwächelt und sich im Würgegriff von Gewerkschaften und dem Land Niedersachen befindet, welches Anteilseigner ist. Er wird der Meinung sein, daß der angestrebte Preis von ca. 3 Milliarden Euro kein schlechter Deal ist, wenn man dafür rund ein Fünftel am weltweit sechstgrößten Automobilkonzern erhält. Ob Porsche den Kauf aus seiner Kasse bezahlt oder eine Anleihe begibt, spielt keine so große Rolle. Entscheidend dürfte sein, welche Gesundungsmaßnahmen dieser neue Großaktionär befördern kann - und die Einflußmöglichkeiten in Wolfsburg dürften nach Abschluß der Transaktion erheblich sein. Der Einstieg Porsches wird auch mit nationalistischem Unterton gefeiert, sehr zu unrecht, denn zwar ist Porsche ein deutsches Unternehmen, doch wird, wenn die Zuffenhausener ihre Arbeit richtig machen, der Druck auf Volkswagen und seine Mitarbeiter, sich auf die neuen globalisierten Bedingungen einzustellen, nicht weniger dramatisch sein, als hätte ein ausländischer Investor zugeschlagen.

Posted by bo at 21:04
Edited on: Mittwoch, September 28, 2005 11:34
Categories: Zu Hause ist es doch am schönsten

Sonntag, September 18, 2005

Die Deutsche Depression

Gedämpfter Jubel: Merkel erhebt Anspruch auf Kanzlerschaft

Depression, das ist eine psychische Erkrankung, die sich vor allem in Antriebsarmut, gedrückter Stimmung und einem gestörten Selbstwertgefühl äußert. Wenn gar ein ganzes Land in diesen Zustand verfällt, dann manifestiert sich dies in einem Wahlergebnis, wie wir es heute Abend gesehen haben. Der Souverain befand, Rot-Grün solle zwar nicht mehr weiterregieren, Schwarz-Gelb aber ebenfalls keine Möglichkeit erhalten, ein handfestes Reformprogramm in die Realität umzusetzen. Diejenigen Bürger, die einen klaren Kopf behielten, entschieden sich für die konsequente Reformprogrammatik der FDP, die wohl nun nicht zum Zuge kommen wird. Ganz und gar retardiert zeigten sich weite Teile der ostdeutschen Wähler, die zu rund 25 Prozent der PDS ihre Stimme gaben und damit jeglichen Reformkonzepten eine Absage erteilten, sich quasi nach 1990 ein zweites Mal für das gesellschaftspolitische System der alten Bundesrepublik entschieden haben. Wie bereits in den letzten Wochen vor der Wahl, so setzt sich auch am Wahlabend die Debatte darüber fort, welche Person künftig die Regierung bilden und anführen soll. Beide "großen" Parteien verstehen das Wahlergebnis als Auftrag zur Regierungsbildung und bringen ihre Spitzenkandidaten Merkel und Schröder bereits in den ersten Interviews in die geeignete Ausgangsposition. Dies verheißt aufregende Wochen der Regierungsbildung, an deren Ende eine Große Koalition oder eine Fortsetzung des rot-grünen Bündnisses, toleriert von der PDS, stehen könnte. Weniger wahrscheinlich dürfte ein Bündnis von CDU/CSU, FDP und Grünen sein, die Ampel wurde von der FDP kategorisch und glaubhaft ausgeschlossen. Dennoch erschreckt die Tatsache, daß es nach dem Desaster der letzten Jahre nach wie vor eine strukturelle Mehrheit für die politische Linke in Deutschland gibt. Die überraschende Ausweitung der PDS nach Westen, von den um ihren schwindenden Einfluß im Lande sich sorgenden Gewerkschaften unterstützt und vorangetrieben, hat das linke Lager insgesamt gestärkt und dabei geholfen, das Protestpotential erfolgreich in Wählerstimmen umzumünzen. Etwas ähnliches ist der CDU nicht gelungen. Dies war möglicherweise mit den anspruchsvollen, bisweilen geradezu wissenschaftlichen Argumenten und dem sachlichen Stil, den Angela Merkel im Wahlkampf gepflegt hat, so auch nicht möglich. Das einzige Angebot an rechts-konservative Wähler hat es in der Frage der EU-Mitgliedschaft der Türkei gegeben. Die Lufthoheit über den Stammtischen war Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine so jedoch nicht zu nehmen. Wenn sich nun aller Elan der politischen Klasse in den kommenden Wochen darauf konzentriert, Strategien für Kanzlerwahlgänge im Bundestag auszuhecken oder gar insgeheim Neuwahlen ins Auge gefaßt werden, dann bekommt der Wähler den Stillstand, den er gewollt hat.

Posted by bo at 21:05
Categories: Zu Hause ist es doch am schönsten

Freitag, September 16, 2005

Die Sparlisten-Posse

"Giftliste" bestimmt Wahlkampf-Endspurt

Der Wahlkampf neigt sich dem Ende zu und so mancher Politiker scheint am Ende dieser kräftezehrenden Wochen einen Gutteil seiner Zurechnungsfähigkeit eingebüßt zu haben. Seit einigen Tagen wissen wir von einem im Bundesfinanzministerium kursierenden Papier, welches jährliche Einsparungen im Bundeshaushalt von ca. 30 Milliarden Euro vorsieht. Dies gehörte angesichts einer Rekordverschuldung der öffentlichen Haushalte eigentlich als besonders mutiger Vorschlag eines Beamten prämiert, beweist die Liste doch, daß nicht nur die Einhaltung der EU-Defizit-Kriterien von heute auf morgen möglich wäre, sondern auch die Vorlage eines ausgeglichenen Bundeshaushalts bereits 2006 machbar ist. Verwundert reiben wir uns jedoch die Augen, wenn seit Bekanntwerden der nun schon in der Presse als Giftliste titulierten Ausführungen eines untergeordneten Mitarbeiters des Finanzministeriums, ein Dementi auf das andere erfolgt und der zuständige Minister Hans Eichel nicht müde wird zu beteuern, daß es sich hierbei keineswegs um die offizielle Meinung der Bundesregierung handele. Wir nehmen Hans Eichel also beim Wort und übersetzen noch einmal für den mündigen Bürger, daß die Regierung Schröder auch weiterhin Schulden auf Kosten kommender Generationen befürwortet, nach wie vor an ihren fantasievollen Haushaltsentwurf für 2006 glaubt und Sparsamkeit daher weder notwendig noch wünschenswert sei. Diese Debatte erinnert fatal an den inszenierten Aufschrei, der auf die Ankündigung folgte, daß der von der CDU für Finanzpolitik benannte Paul Kirchhoff 418 Steuervergünstigungen mir nichts dir nichts streichen wolle. Im Wahlkampf scheint zu gelten, was in Deutschland sowieso die Regel ist, daß Veränderung nichts Gutes bedeuten kann, daß Risiko sich nicht lohnt, daß selbst krasse gesellschaftliche Fehlentwicklungen geleugnet werden. Und wer dies alles zusammen dem politischen Gegner anlasten kann, der hat gute Chancen als Angstmacher die Wahl der Ängstlichen zu gewinnen.

Posted by bo at 20:58
Categories: Zu Hause ist es doch am schönsten

Sonntag, September 11, 2005

Agyptens Präsidentenwahl unter amerikanischem Einfluß

Egypt and the wider Middle East

Aus der am Donnerstag stattgefundenen Präsidentenwahl ist der Amtsinhaber Hosni Mubarak wie erwartet als Sieger hervorgegangen. Daß überhaupt andere Kandidaten zur Wahl standen, war ein Novum in der Geschichte des arabischen Landes. Der autokratisch regierende Mubarak hatte sich - nicht zuletzt auf US-amerikanischen Druck hin - nolens volens dazu bereit erklärt, auch Kandidaten anderer Parteien zu der Abstimmung zuzulassen. Allerdings war der Kandidat der Muslimbruderschaft nicht zugelassen und auch die sonstigen Umstände der Wahl genügten wohl kaum westlich-demokratischen Ansprüchen. So war die Frist zur Registrierung, die Voraussetzung für eine Teilnahme an den Wahlen war, bereits vor Monaten abgelaufen, lange bevor feststand, daß sich auch alternative Kandidaten im Rennen befinden würden. Damit, aber auch mit einem nach 24 Jahren ununterbrochener Herrschaft Mubaraks erlahmten Interesse an Politik, ist die niedrige Wahlbeteiligung von 23 Prozent zu erklären. Dennoch hat der Wahlkampf in dem Land, das zwar von westlichen Touristen gerne bereist wird, welches sich aber seit Jahrzehnten im militärischen Ausnahmezustand befindet, einiges an Veränderungen bewirkt. Allein der Umstand, daß verschiedene Kandidaten oppositioneller Parteien auf ihrer Wahlkampftour durch das Land vor Publikum frei reden konnten, hat viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Die Vorfreude auf die im November anstehenden Parlamentswahlen ist somit besonders groß, erhoffen sich die reformorientierten Kräfte im Lande davon doch einen weiteren Schritt der politischen Öffnung. Ägypten hat seit seinem Friedensschluß mit Israel viel zur Stabilität im Nahen Osten beigetragen. Erst jüngst übernahm es erneut Verantwortung im Gaza-Streifen. Das Land ist daher schon lange ein Baustein der westlichen Bemühungen um mehr Stabilität in der arabischen Welt. Die Regierung Bush hat es derzeit angesichts des Beinahe-Stillstands im Irak nicht leicht, ihr erst nach dem Krieg verkündetes Ziel, der arabischen Welt zu mehr Demokratie zu verhelfen, an den Mann zu bringen. Dennoch haben die Einflußmöglichkeiten Washingtons in der Region seit dem Sturz Saddam Husseins stark zugenommen, wie auch schon im Libanon zu sehen war, der sich von Syriens Einfluß frei machen konnte.

Posted by bo at 20:06
Categories: Aus der Ferne betrachtet

Sonntag, September 04, 2005

Schröder floppt, Merkel top

Sonntag Abend - High Noon in Deutschland. Das Fernsehduell der beiden Spitzenkandidaten von Union und SPD, Schröder und Merkel, nahm einen unerwarteten Verlauf. Ein zu Beginn sichtlich verunsicherter Schröder produzierte mehr Versprecher, zeigte mehr Schweißperlen auf der Stirn und antwortete bisweilen fahrig - ganz im Gegensatz zu seiner notorisch unterschätzten Konkurrentin. Dem des jovialen Geredes, geheuchelten Selbstmitleids und "Ich weiß, woher ich komme"-Geschichten überdrüssigen Zuschauer konnte der Kanzler nicht viel Neues bieten. Geradezu erschreckend war, daß Schröder jede Gelegenheit auslies, die künftige Politik seiner Regierung zu vermitteln. Rückwärtsgewandt suchte er, das rot-grüne Durschwurschteln der letzten Jahre zu rechtfertigen, programmatische Visionen für die nächste Wahlperiode waren nicht erkennbar. Wer den Kanzler genau beobachtet hat, der gewinnt eine Vorstellung davon, welch planlose und auf billige Effekthascherei abzielende Politik in den letzten sieben Jahren im Kanzleramt betrieben wurde. Angela Merkel dagegen agierte durchgehend schlagfertig, erwies sich als fachlich beschlagen und überaus durchsetzungsfähig. Sie verstand es, die thematischen Akzente zu setzten, ja geradezu ihre Agenda dem Kanzler aufzuzwingen. Merkels Sprache zeugte von einer offensichtlich integren und sachorientierten Persönlichkeit, mithin charakterliche Eigenschaften, die dem Amt gut zu Gesicht stünden. Wer Schröders Altherrensentimentalitäten als glaubwürdig empfindet, der schaut vermutlich zu viele Telenovelas, wenn mal gerade kein Kanzlerduell im Fernsehen läuft.
Posted by bo at 23:13
Categories: Zu Hause ist es doch am schönsten