Sonntag, Dezember 18, 2005

Iran wird zum Risiko

Iran tells West to be tolerant of Holocaust views

Wo immer die echten oder vermeintlichen Holocaust-Leugner in der Welt oder zu Hause in Erscheinung treten, eine empörte Reaktion der deutschen Politik ist ihnen sicher. Die Worte des iranischen Staatspräsidenten Ahmadineschad, der den von Deutschen begangenen Genozid an den Juden während des zweiten Weltkriegs rundweg in Abrede stellt und zynisch einen "Umzug" des israelischen Staates auf deutsches Territorium oder nach Alaska fordert, sind in der Tat starker Tobak. Aber sollten uns diese Worte aus dem Munde eines Volkstribunen und Einpeitschers des iranischen Regimes, das seit seiner Gründung von der Feindschaft zum israelischen Staat lebt, ernsthaft in Erstaunen versetzen? Wer hinhören wollte, der konnte antijüdische und antiisraelische Hetze seit dem Sturz des Schahs vernehmen, und was die jüngste Propaganda davon lediglich unterscheidet, ist, daß diesmal jegliche diplomatische Hüllen gefallen sind und nicht nur der Mob auf der Straße, sondern einer der höchsten Vertreter des iranischen Staates als Brandstifter auftritt. Der Westen, der mit Teheran in Sachen Atomprogramm längst über Kreuz liegt, hat seit dem Amtsantritt Ahmadineschads einen Grund mehr, die weitere Radikalisierung des Iran mit sorgenvoller Miene zu betrachten. Was sich im Iran derzeit zusammebraut, hat alle Ingredenzien, zu einer echen Bedrohung des Friedens, nicht nur im Nahen Osten und damit für die Sicherheit Israels, sondern auch für Europa und Deutschland zu werden. Der Iran treibt sein Atomprogramm weiterhin zügig voran und hat erst kürzlich eine Ladung Trägerraketen in Nordkorea geordert. War die deutsche Außenpolitik bislang nicht gewillt, das Land deswegen vor den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu zitieren, so ist sie es nun wegen dessen öffentlich zur Schau gestellter Ideologie, das ist immerhin besser als gar nichts. Doch sollte Deutschland sich bei diesem Schritt auch darüber im Klaren sein, daß eine solche Krise möglicherweise nicht auf Dauer mit diplomatischen Mitteln zu lösen sein wird, eine Erkenntnis die unseren angelsächsischen Bündnispartnern nicht erst umständlich beigebracht werden muß. Noch darf man sich der Hoffnung hingeben, das Regime in Teheran durch diplomatischen Druck zur Vernunft bringen oder mit wirtschaftlichen Sanktionen in die Knie zwingen zu können, doch sollte man keine allzu großen Hoffnungen mehr auf eine Entscheidung inner-iranischer Machtkämpfe zugunsten einer westlich orientierten Opposition setzen. Diese ist seit der Wahl Ahmadineschads endgültig in die Bedeutungslosigkeit abgesunken. Der iranische Staatspräsident kämpft nicht mehr gegen liberale Mullahs, sondern schwört sein Volk auf neue revolutionäre Herausforderungen ein, und der Westen sollte diesen Impetus keinesfalls unterschätzen.

Posted by bo at 23:02
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Donnerstag, Dezember 15, 2005

Gebühren für das Studium

Niedersachsen wird erstes Bundesland mit allgemeinen Studiengebühren

Niedersachen hat beschlossen, als erstes Bundesland flächendeckend Studiengebühren von seinen Studenten zu erheben. Ab Herbst 2006 werden bereits die Studienanfänger zur Kasse gebeten und müssen fortan 500 Euro pro Semester für ein Studium an einer staatlichen Hochschule bezahlen. Die CDU/FDP-Koaltion im niedersächsischen Landtag ist damit sogar noch Bayern und Baden-Württemberg zuvorgekommen, die ebenfalls die Einführung von Studiengebühren angekündigt haben. Der einheitliche Satz von 500 Euro kann nur ein Anfang sein zu einer von der jeweiligen Universität frei festzulegenden Beteiligung der Studenten an ihrer Ausbildung. Können die Hochschulen erst selber über die Höhe der Abgaben bestimmen, wird sich ein echter Markt für universitäre Ausbildung entwickeln, in dem die Studenten die kritischen Verbraucher und die Fakultäten die Anbieter von auch als solchen wahrgenommenen Leistungen sind. Davon kann die Qualität der Ausbildung nur profitieren, ganz abgesehen von volkswirtschaftlich günstigen Nebenerscheinungen, wie jenen, daß die Ausbildungszeiten sich im Schnitt dramatisch verkürzen dürften und junge Menschen, die für ein Studium weniger geeignet sind, sich von vornherein anderen Ausbildungswegen zuwenden. Neben solchen Effizienzkriterien gilt es jenen auf dem moralisch hohen Roß sitzenden Studentenaktivisten, die seit Jahr und Tag lautstark gegen die Einführen von Studiengebühren protestieren, ins Gedächtnis zu rufen, daß bislang die gesamte Gesellschaft ihre kostenlose Ausbildung mitfinanziert. All die Steuerzahler, die selber nie in den Genuß eines Hochschulstudiums gekommen sind, finanzieren die schönen Jahre jener jungen Akademiker mit, die sich an ihren eigenen Ausbildungskosten nicht beteiligen möchten. Dabei sind es doch die späteren Ärzte, Juristen und Ingenieure, die nach dem Examen ein vielfach höheres Einkommen erzielen und die auch mit der Rückzahlung von Ausbildungskrediten nicht in wirtschaftliche Probleme geraten sollten. Überhaupt hat steht jene soziale Gerechtigkeit, von der in diesem Zusammenhang mal wieder vorschnell die Rede ist, einem an marktwirtschaftlichen Grundsätzen ausgerichteten Universitätswesen nicht entgegen. Indem man die Mehrheit der Studenten an den realen Kosten beteiligt, entsteht automatisch auch mehr Freiraum, um wirtschaftlich schwache Familien bei der Ausbildung ihrer Kinder zu unterstützen, etwa durch ein geeignetes Stipendien-System. Die niedersächsische Politik ist also zu begrüßen, wenngleich sie nur der erste Schritt zu einer Reihe dringend notwendiger Reformen der antiquierten deutschen Lehr- und Forschungslandschaft sein kann.

Posted by bo at 22:13
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Montag, Dezember 12, 2005

Gerhard, Genossen, Gazprom

Neuer Job: Schröder verrubelt seinen Ruf

Deutschland ist das Land, in welchem zwar kaum je ein Wirtschaftsboss den Weg in die Politik findet, umgekehrt aber allzu gerne der ein oder andere ehemalige Staatsmann seinen Ruhestand versilbert. Schon Helmut Kohl verdiente sich ein paar Mark dazu, indem er Leo Kirch als Berater zur Seite stand und nun macht auch Altbundeskanzler Gerhard Schröder von sich reden, weil ihm der Posten des Aufsichtsratschef der Betreibergesellschaft der im Bau befindlichen deutsch-russischen Gaspipeline angeboten wurde. Daß er selbst während seiner Amtszeit einer der stärksten Befürworter dieses privatwirtschaftlich betriebene Projektes gewesen ist und sich vor wenigen Wochen noch die Unterzeichnung der Verträge zwischen deutschen Firmen und Gazprom, dem russischen Energiegiganten, zu einem Wahlkampfauftritt zusammen mit Putin genutzt hat, macht die Sache nicht nur instinktlos, sondern geradezu anrüchig. Nun könnte man witzeln, daß Schröder seinen wirtschaftspolitischen Sachverstand ja bereits mit der Sanierung der Philipp-Holzmann AG unter Beweis gestellt hat und ihm hier lediglich ein Versorgungsposten angeboten wurde, aber die Sache ist durchaus ernster. Schließlich hat Schröder noch als Kanzler das Projekt öffentlichkeitswirksam unterstützt und dafür sogar diplomatische Irritationen in Polen und den baltischen Staaten in Kauf genommen, die gerne an dem Projekt beteiligt gewesen worden wären. Nun soll die Leitung auf dem Grund der Ostsee verlegt werden, damit Deutschland einen ungehinderten Zugang zu den riesigen russichen Gasreservern erhält und nicht länger von den instabilen Verhältnissen in der Ukraine oder Weißrußlands abhängig ist, über die ein Teil der derzeitigen Versorgung läuft. Gegen das Vorhaben ist grundsätzlich nichts einzuwenden, denn Deutschlands Interessen müssen auch und gerade bei der Versorgung mit Gas und Öl vertreten werden. Andere Länder sind da ebenfalls nicht zimperlich und Polen kann schlechterdings verlangen, daß die Pipeline auf seinem Staatsgebiet verlegt wird, damit es ein Druckmittel in die Hand bekommt. Allerdings können unsere Nachbarn und Verbündeten sehr wohl verlangen, daß auch sie von einem solchen Projekt profitieren, z.B. indem man ihnen eine Belieferung mit Gas in Aussicht stellt. Angela Merkel hat eine solche Lösung bereits angedeutet. Gerhard Schröder hingegen hat schon zu Amtszeiten die Grenzen des guten Geschmacks in seinen stets mit einer sehr persönlichen Note versehenen deutsch-russischen Beziehungen überschritten. Daß er sich nun demnächst vom Kreml aushalten lassen will, wirft ein trauriges Licht auf den Altkanzler, der eben, entgegen allen sentimentalen Abschiedsgesten, nicht weiß, wo er herkommt.

Posted by bo at 23:29
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Freitag, Dezember 09, 2005

Wahlnachlese bei der CDU

Wahl-Analyse der CDU: "Mehr als ein Vermittlungsproblem"

Diese Woche hat die schon längst nicht mehr mit Spannung erwartete Wahlanalyse von Präsidium und Vorstand der CDU in Berlin stattgefunden. Trotz des katastrophalen Abschneidens der Christdemokraten bei der vergangenen Bundestagswahl, bei der man ein ähnlich schlechtes Ergebnis wie bei der Kohl-Abwahl im Jahre 1998 einfuhr, verhielten sich selbst die angereisten Ministerpräsidenten pfleglich gegenüber der Parteivorsitzenden. Zwar wurden längst bekannten Meinungen ausgetauscht, nach denen es je nach Lesart entweder ein Vermittlungsproblem gegeben hätte, wirtschafs-oder finanzpolitische Fragen das soziale Profil in Frage gestellt hätten oder es der CDU einfach an der Fähigkeit gemangelt hätte, den populistischen Attacken des Gegners in den letzten Tagen des Wahlkampfes noch etwas entgegenzusetzen. Kein Wort dagegen hörte man über das schwache Wahlprogramm oder über die fatale Ankündigung einer Mehrwertsteuererhöhung, wie auch, wenn Steuererhöhungen nun gar zum offiziellen Regierungsprogramm geworden sind. Sichtlich erleichtert zeigte sich auch die frischgebackene Kanzlerin Merkel nach Abschluß der stundenlangen Debatte. Unter ihrer Anleitung hatten es die CDU-Granden erfolgreich vermieden, das Ansehen der neuen Regierungschefin zu beschädigen, und so nahmen alle Seiten reumütig die Schuld auf sich für einen zum Ende deutlich verpatzten Wahlkampf. Schließlich habe man diesen ja auch gemeinsam geführt, ließ sich der niedersächsische Ministerpräsident Wulff bereits im Vorfeld vernehmen. Eine solche Schongang-Analyse mag verständlich sein, übezeugend ist sie jedoch nicht. Wer, wenn nicht Angela Merkel trägt für Profilschwäche, Kommunikationsprobleme und eine recht FDP-nahe Auffassung von ordnungspolitischen Reformen die Verantwortung? So wenig schmeichelhaft die Erkenntnis auch sein mag, daß zum Ende eines Bundestagswahlkampfes oft nur noch blanker Populismus hilft, so sehr stimmt es auch, daß Merkel gegen Schröder und Fischer zwar nicht verlor, den Verunsicherungskampagnen einer tollwütigen Regierung aber auch nichts Wirksames entgegenzusetzen hatte, also den Wähler nicht zu gewinnen vermochte.

Posted by bo at 24:26
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Donnerstag, Dezember 01, 2005

Israel im Umbruch

Schimon Peres kehrt seiner Partei den Rücken

Was sich in den letzten Wochen auf Israels politischer Bühne getan hat, ist an Spannung kaum zu überbieten. Der elder statesman Schimon Peres mußte den Vorsitz der Arbeiterpartei an den stramm links agitierenden Amir Peretz abgeben und Ariel Scharon kehrte dem Likud den Rücken. Er gründete mit einigen Getreuen aus seiner alten Partei eine Kadima genannte neue Kraft der Mitte, die das politische Lebenswerk Scharons fortführen soll. Scharon sah sich in den vergangenen Wochen zunehmend einem innerparteilichen Druck durch seinen schärfsten Widersacher Benjamin Netanjahu ausgesetzt, der es ihm nicht mehr ermöglichte, das Kabinett seiner Regierung nach eigenen Wünschen umzubauen. Vor allem aber stand er wegen des israelischen Rückzugs aus dem Gaza-Streifen in der Kritik von Groß-Israel Ideologen und Hardlinern, die sich mit den neuen Verhältnissen nicht anfreunden können. Nicht ganz überraschend schließt sich nun auch Peres der neuen Partei Scharons an, denn beide haben schließlich die Politik des Rückzugs aus Gaza gemeinsam getragen und in ihren jeweiligen Parteien durchgesetzt. Dieser Schritt Peres' dürfte die ohnehin schon hervorragenden Aussichten für die neue Partei bei den für März 2006 angesetzten Parlamentswahlen noch einmal erheblich verbessern und der Kadima zur Regierungsbeteiligung verhelfen. Es wird Scharon angesichts der Anfeindungen aus dem eigenen Lager auch persönliche Genugtuung bereiten, daß er, der schon vor 32 Jahren mithalf, den Likud zu gründen, mit seiner neuen Partei erneut zum Königsmacher werden könnte - wenn der neue Regierungschef nicht ohnehin wieder der alte sein wird. So aufregend die Geschehnisse der letzten Tage in Israel also sind, so wenig wird sich der politische Konflikt um den richtigen Weg zwischen Appeasement, Aussöhnung oder Abgrenzung von den Palästinensern im Grundsatz ändern. Die Hauptdarsteller haben die Kostüme gewechselt, das Stück, das sie spielen, ist jedoch noch das Selbe.

Posted by bo at 22:28
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