Donnerstag, November 09, 2006

Berliner Anmerkungen in der Presse

Die Neue Osnabrücker Zeitung schrieb über dieses Angebot. Zum Artikel
Posted by bo at 15:03
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Montag, Juli 17, 2006

Köhlers neue Unabhängigkeit

Standpauke für Merkel & Co.

Als Außenseiter war er auf den Stuhl des Bundespräsidenten gekommen, den sonst für gewöhnlich nur altgediente Haudegen der Bundespolitik einnehmen. Der ehemalige Präsident des Internationalen Währungsfonds und Kohl-Vertraute Horst Köhler war der Überraschungskandidat Angela Merkels für das höchste Staatsamt im Jahre 2004, und vor allem die FDP konnte sich damals für den Wirtschaftsfachmann begeistern. Nach anfänglicher Unsicherheit kann man beim Bundespräsidenten seit einiger Zeit ein zunehmendes Selbstvertrauen und eine gewachsene Unabhängigkeit beobachten, wie dies immer schon der Fall war, wenn die Erkenntnis reifte, daß aus der faktischen Machtlosigkeit des Amtes eine im politischen System Deutschlands einmalige moralische Autorität erwächst. Statt einer schwarz-gelben Koalition steht Köhler nun seit letztem Jahr einer großen Koalition vor, mit der sich anfangs auch für ihn Hoffnungen verbanden. Zur Halbzeit seiner Amtsperiode nun zeigt sich Köhler ungeduldig und liest der Regierung Merkel kräftig die Leviten. Die große Koalition packe die entscheidenden Probleme nicht entschlossen genug an und würde sich in parteipolitischen Streitereien ergehen statt Sachpolitik zu betreiben. Im Gegensatz zur Kanzlerin, die sich derzeit über die vergleichsweise niedrigen Arbeitslosenzahlen freut, sieht der Bundespräsident das Problem als ungelöst an, womit er zweifellos recht hat. Die Reaktionen der Koalitionäre reichen von Lob und Zustimmung auf Seiten der FDP oder auch aus Bayern bis hin zu der lakonischen Bemerkung Münteferings, daß es Köhler freistehe, "seine eigene Meinung zu äußern". Auf diese Weise seine eigene Machtfülle zurschaustellend, übersieht der Arbeitsminister freilich, daß Köhler, der - wie bei der Fußball-WM deutlich sichtbar - ein gutes Gespür für Stimmungen und Bewegungen in Deutschland hat, sich damit an die Spitze der frustrierten Wähler einer ungewollten Koalition gesetzt hat. Sollte das Wahlvolk die Koalition aus CDU/CSU und SPD allerdings auch weiterhin in Meinungsumfragen mit Liebesentzug strafen, so würde dies paradoxerweise gerade nicht zum vorzeitigen Ende des Bündnisses führen. Denn dann wäre das Gewurschtel in Berlin tatsächlich alternativlos, was es angesichts einer strukturell linken Mehrheit bei den letzten Wahlen nicht war. Der heimliche Bundespräsident der FDP sollte daher bei aller Überparteilichkeit die Kanzlerin Merkel nicht ganz vergessen, denn ohne die CDU wird es keine bürgerliche Koalition bei den nächsten Bundestagswahlen (oder davor) geben.

Posted by bo at 21:55
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Sonntag, Juli 02, 2006

Ungesund

Gesundheitsreform: Diese Nacht wird teuer

Kaum ist mit der Föderalismusreform das größte Gesetzespaket seit Inkraftreten des Grundgesetzes im Bundestag durchgewunken worden, da treffen sich die Koalitionsspitzen in Berlin bereits, um über die letzten "Eckpunkte" der bevorstehenden Gesundheitsreform zu debattieren. Während die Föderalismusreform einen tatsächlich bezifferbaren Effekt erzielen wird, nämlich den Anteil zustimmungspflichtiger Gesetze durch den Bundesrat auf 30 bis 40 Prozent zu senken, steht der Nutzen dieser Gesundheitsreform in den Sternen. Die widerstreitenden Interessen sämtlicher Koalitionsparteien und ihrer jeweiligen Flügel sind kaum zu durchschauen. Vor allem die SPD plant einen Einstieg in die steuerfinanzierte Gesundheitspolitik. Das Motiv lautet, wie schon im Falle der mehrwertsteuerfinanzierten Senkung der Lohnnebenkosten, die Sozialkassen von den immer unzuverlässiger fließenden Arbeitslöhnen abzukoppeln. Sollte eine solche Lösung (anders als bei der Mehrwertsteuererhöhung) ohne Steuererhöhungen funktionieren, wäre dem auch bedingt zuzustimmen, allerdings sollte man darauf besser nicht sein Haus verwetten. Statt einer Reform, die die Schwächen unseres real-sozialistischen Gesundheitssystems energisch angeht, hört man aus Berlin lediglich neue Umverteilungsmelodien. Das von Merkel favorisierte Fondsmodell ist nichts weiter als eine weitere Umverteilungsmaschine mit derzeit unbekannten Kosten. Die Erfahrungen mit Hartz IV sollten die Politik hier eigentlich nachdenklich machen. Die Schwächen unseres Gesundheitssystems sind im übrigen nicht die stetig wachsenden Kosten (seien es die berechtigten Ansprüche der Ärzte an eine marktgerechte Bezahlung oder die teure Apparatemedizin), sondern die höchst ineffiziente und marktferne Verwendung der ihm zufließenden Mittel. Die Frage eines echten Wettbewerbs zwischen den Krankenkassen (sowie weiterer Randprobleme wie dem mittelalterlich anmutenden Apothekenkartell) und vor allem die dramatische demographische Lage werden in der nun diskutierten Reform jedoch nicht einmal angedacht. Zugegeben, nicht nur Deutschland hat mit diesen Entwicklungen so seine Probleme, auch viele andere westliche Industrienationen sehen im Vergleich kaum besser aus. Dies allerdings entschuldigt nicht den kurzsichtigen und einfallslosen Versuch der Großen Koalition, die Milliardenlücken im System der gesetzlichen Krankenversicherungen einfach mit neuen Steuerquellen zu decken. Dabei wäre der zu beschreitende Weg recht einfach und übrigens dem freilich halbherzig unternommenen Schritt in Richtung privater Altersvorsorge gar nicht so unähnlich. Nur die Umstellung der derzeit umlagefinanzierten gesetzlichen Krankenversicherung auf ein kapitalgedecktes System sowie die Freigabe des Wettbewerbs zwischen den Krankenkassen können langfristig einen Ausweg aus der derzeitigen Misere bieten.

Posted by bo at 20:27
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Sonntag, Juni 18, 2006

Teile und heirate

Streit ums Ehegattensplitting wird schärfer

Wie schon auf anderen Politikfeldern, wächst die Große Koalition auch in familienpolitischen Grundsatzfragen zusammen. CDU-Generalsekretär Pofalla schreckte Teile seiner Partei mit seinen progressiven Vorstellungen zur Einführung eines Familiensplittings auf. Besonders aus der CSU werden Stimmen laut, die vor einer Abschaffung des Ehegattensplittings in seiner derzeitigen Form warnen. In der größeren Schwesterpartei hingegen gibt es deutlichen Rückenwind für eine Modernisierung der mit Steueranreizen arbeitenden Familienpolitik, die in Zukunft vor allem Familien mit Kindern und nicht ein kinderloses Ehepaar unterstützen will. Derzeit bleiben über 40 Prozent aller Ehen kinderlos, profitieren aber dennoch von den erheblichen Steuervorteilen, die das Ehegattensplitting mit sich bringt. Dabei ist der von den Verteidigern der derzeitigen Regelung vorgebrachte Hinweis auf die verfassungsmäßige Sonderstellung der Ehe nur bedingt richtig. Denn eigentlich heißt es in Artikel 6 des Grundgesetzes ja, daß "Ehe und Familie" unter einem besonderen Schutz stehen. Und Familie bedeutet heutzutage nach allgemeinem Verständnis natürlich nicht nur das mit Trauschein lebende Ehepaar. Eine steuerliche Besserstellung von unehelichen Lebensgemeinschaften, sofern sie Kinder haben, ist wünschenswert. Allerdings wird eine derartige Lösung vor ähnlichen Nachweisproblemen stehen wie die bei Hart IV so kostspielige Regelung bei den Bedarfsgemeinschaften. Eine Möglichkeit bestünde darin, mit Steuerfreibeträgen je Kind zu arbeiten, deren Anwendbarkeit z.B. an das Sorgerecht gekoppelt wäre. Um die zahlreichen Kritiker in ihrer eigenen Partei auf den Modernisierungsweg mitzunehmen, wird Angela Merkel vermutlich das Ehegattensplitting nicht zur Gänze abschaffen, sondern die bestehende Regelung um ein Familiensplitting erweitern. Ein solcher vermutlich nicht ganz billiger Kompromiß wäre allerdings nur gutzuheißen, wenn zugleich Einschnitte an anderer Stelle vorgenommen würden.

Posted by bo at 23:23
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Sonntag, Juni 04, 2006

Engagement in Afrika

Mehrheit der Deutschen lehnt Einsatz im Kongo ab

Deutschland hat entschieden und wird einige hundert Soldaten zur Absicherung von Wahlen in den Kongo schicken. Das Vorhaben war in der großen Koalition nicht wirklich umstritten, so daß sich nur wenige Abweichler mit dieser Art außenpolitischem Engagement nicht einverstanden zeigten. Ablehnung hingegen gab es bei FDP und der Linkspartei, wenngleich aus unterschiedlichen Motiven. Während die ehemalige PDS das Vorhaben mit hehren pazifistischen Argumenten verdammte, führten die Freien Demokraten vor allem die stümperhafte Vorbereitung des Vorhabens gegen den guten Willen der Regierung ins Feld. Die FDP bezweifelt, daß ein auf wenige Monate und auf die Hauptstadt des riesigen Landes begrenzter Einsatz dauerhaft zu einer Stabilisierung beitragen könne. Diese Zweifel sind berechtigt, allerdings kann man genauso gut dagegen ins Feld führen, daß eben auch die Kosten und Risiken des Vorhabens begrenzt seien, man es also auch einfach mal "versuchen" könne. Sehr viel idealistischer haben sich die Grünen dem Thema genähert, deren Abgeordnete mit überwältigender Mehrheit dem Einsatz zugestimmt haben. Ihr Fraktionschef Kuhn zeigte sich davon überzeugt, daß von der Sicherung demokratischer Wahlen ein Signal auch für andere afrikanische Länder ausgehe. Verkehrte Welt im Bundestag? Nicht ganz, denn schon der Kosovo-Einsatz zeigte, wie sehr sich SPD und Grüne von ihrer Wählerbasis entfernen können, wenn der gute Zweck es erlaubt. Das Wahlvolk derweil bleibt skeptisch, und so lehnen fast 60 Prozent der Deutschen den Einsatz ab. Der außenpolitische Streit zwischen Idealisten und den wieder an Zulauf gewinnenden Anhängern einer interessengeleiteten Außenpolitik entzweit nicht nur die Gelehrten. Tatsächlich darf man fragen, warum ausgerechnet Deutschland die größte Zahl von Soldaten für den Einsatz stellt, gehörte der Kongo doch bisher klar zum französischen Interessengebiet. Europa als Ganzes jedoch kann die Entwicklung in dem rohstoffreichen Land nicht egal sein, und es versteht sich daher von selbst, daß Deutschland als major player eine besondere Verantwortung tragen muß. Leider gehen der neue Geltungsanspruch Deutschlands und die Ausstattung unserer Streitkräfte nicht konform. Dafür muß man nicht einmal an die absurd erscheinenden, aber leider wahren Geschichten selbst gekaufter Ausrüstungsgegenstände unserer Soldaten in Afghanistan denken. Die Überbeanspruchung der Bundeswehr ist beschämend, und wenn einmal der Zusammenhang mit vermeidbaren Todesfällen klar wird, dann wird sich das Parlament unter öffentlichem Druck auch mit den materiellen Grundlagen unserer weltweiten Interventionen beschäftigen müssen. Derweil wartet man gespannt auf das Weißbuch unseres Verteidigungsministers Jung, welches Deutschlands Interessen sehr umfangreich definieren wird. Der Einsatz im Kongo ist allerdings der beste Beweis dafür, daß Deutschland längst aus seinem Dornrößchenschlaf wachgeküßt wurde.

Posted by bo at 22:12
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Montag, Mai 29, 2006

Hartz IV im Visier

Streit um Hartz IV: Das Ende der Gemütlichkeit

Allmählich blättert die Fassade der Harmonie von der Großen Koalition in Berlin ab. Seien es die sicherheitspolitischen Vorstellungen von Verteidigungsminister Jung, der schwelende Konflikt um die anstehende Gesundheitsreform oder die Unternehmenssteuerreform, bei keinem Thema lassen die Regierungslager die Gelegenheit aus, sich als Reformer oder Bewahrer dar- und die Gegenseite in die Ecke zu stellen. Energisch nun nutzt die Union die Gelegenheit, die SPD, vor allem ihre Minister Steinbrück und Müntefering, wegen der horrenden Mehrausgaben im Zusammenhang mit den Hartz-IV-Reformen an den Pranger zu stellen. Die nicht eingeplanten zusätzlichen Kosten beim Arbeitslosengeld II belaufen sich allein in diesem Jahr voraussichtlich auf 3 Milliarden Euro. Gründe dafür sind die zum Teil mißbräuchliche Ausnutzung von Regelungen wie bei der Bedarfsgemeinschaft sowie erhebliche Zuverdienstmöglichkeiten. Noch diese Woche soll ein sogenanntes Fortentwicklungsgesetz in den Bundestag eingebracht werden, welches die schlimmsten Auswüchse der von Union und SPD gemeinsam zu verantwortenden Unreform rückgängig machen soll. Desungeachtet werden in der Union Stimmen laut, es müsse auch zu echten Leistungskürzungen kommen, anders sei die Kostenexplosion nicht in den Griff zu bekommen. Edmund Stoiber und viele CDU-Politiker aus der zweiten Reihe fordern eine Generalrevision, und sie haben Recht damit. Der Erfolg einer Arbeitsmarktreform sollte sich entweder daran messen lassen, inwiefern sie zu einem nennenswerten Rückgang der Arbeitslosigkeit geführt oder aber wenigstens die vollkommen desolaten Staatsfinanzen in der Weise saniert hat, daß der privaten Wirtschaft wieder Spielräume verschafft wurden, einen dauerhaften wirtschaftlichen Aufschwung einzuleiten. Beides kann man von dem Reformungetüm Hartz-IV nicht ernsthaft behaupten, auch wenn die SPD sich alle Mühe gibt, die Legende vom Jahrhundertreformwerk aufrecht zu erhalten. Angela Merkel schlug sich heute auf die Seite der Hartz-IV-Kritiker, will aber die Zusammenlegung von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe nicht in Frage stellen. Für den Herbst kündigt sie weitere Umbaumaßnahmen an. Letztlich wäre eine Reform am Regime der verwalteten Arbeitslosigkeit ganz einfach zu bewerkstelligen: Eine Schließung der Bundesagentur würde kurzfristig zu einem Überangebot an Arbeitsamtsfachkräften führen, hätte mittelfristig jedoch keinerlei Auswirkungen auf die Arbeitslosenquote in diesem Lande und würde langfristig zu einer neuen Dynamik im Arbeitsmarkt führen. Die Verwaltung der Versicherungsbeiträge könnte von einer kleinen Behörde und die Aufgabe der Arbeitsvermittlung problemlos von privaten Firmen übernommen werden.

Posted by bo at 21:41
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Samstag, Mai 27, 2006

Geheimniskrämerei in deutschen Behörden

Ministerium: Keine Veröffentlichung des Toll-Collect-Vertrags

Nach mehreren Anträgen auf Akteneinsicht in den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Betreiber des deutschen Mautsystems, Toll Collect, gab das Bundesverkehrministerium nun zu verstehen, daß es nicht gewillt sei, den Vertragsinhalt zu veröffentlichen. Die Antragsteller berufen sich dabei auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG), welches Rot-Grün noch in den letzten Tagen seiner Amtszeit beschlossen hatte und das ein erheblich vereinfachtes Verfahren zur Akteneinsicht auch in Angelegenheiten, die den antragstellenden Bürger nicht unmittelbar betreffen, vorsieht. Von dem Gesetz erhoffte man sich neben einer größeren Transparanz behördlichen Handelns in letzter Konsequenz auch, daß es als Wunderwaffe gegen jede Form staatlicher Korruption wirken könne. Die Realität seiner Anwendung sieht allerdings beschämend aus. Anfragen bezüglich der Flugbereitschaft, die zur Aufklärung vermeintlich privat genutzer Privilegien dienen sollen, werden ebenso verweigert wie nun auch die Einsicht in das undurchsichtige Vertragswerk mit Toll Collect. Dabei berufen sich die Behörden auf eine Klausel des IFG, welche besagt, daß eine Herausgabe von Informationen unterbleiben könne, sofern Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse betroffen seien, deren Veröffentlichung wirtschaftliche Auswirkungen hätten oder die Sicherheit gefährden könnten. Dieser absolute Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen gehört zu den Kompromissen, die das IFG erst durch den Bundestag gebracht haben. Allerdings können sich Verwaltungen damit nicht pauschal aus ihrer Pflicht zur Transparenz befreien, sondern müssen gegebenenfalls eine Teilveröffentlichung gewährleisten, bei der entsprechende Stellen unkenntlich gemacht werden. Das Bundesverkehrsministerium jedoch beruft sich, auch unter Verweis auf das derzeit gegen Toll Collect laufende Verfahren um die Milliardenausfälle, die aufgrund des verspäteten Starts entstanden sind, auf die Unmöglichkeit, geheimhaltungsbedürftige Passagen zu schwärzen, da in der Behörde nicht genügend Sachverstand vorhanden sei. Dieses Armutszeugnis deutschen Verwaltungshandelns bringt nicht nur Datenschutzbeauftragte und einfache Bürger in Rage. Ein SPD-Bundestagsabgeordneter wird nun vermutlich den Klageweg beschreiten und das IFG mit seinen Gummiparagraphen einer richterlichen Überprüfung unterziehen.

Posted by bo at 15:47
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Samstag, Mai 13, 2006

Die FDP als Volkspartei in der Opposition

FDP-Parteitag: Guido gegen den Rest der Welt

Als unglücklicher Gewinner der letzten Bundestagswahl nutzen die Freien Demokraten ihre Oppositionsrolle mit wachsender Begeisterung. Nachdem der Parteivorsitzende Westerwelle vor kurzem auch den Fraktionsvorsitz von Wolfgang Gerhardt im Bundestag übernommen hat, was ihm den schmeichelhaften Titel "Asterix und Obelix" eingebracht hat, nutzte er auf dem FDP-Parteitag in Rostock seine Chance zur Generalabrechnung mit der Großen Koalition. Die Alleinherrschaft Westerwelles ist in der Partei nicht wirklich umstritten, gilt es doch, die begrenzte öffentliche Aufmerksamkeit auf eine Führungsfigur zu kanalisieren, insbesondere wenn man einen solchen Medienprofi als Vorsitzenden sein eigen nennt. Andererseits kennt die FDP auch regionale Unterschiede und politische Flügel, deren programmatische Bandbreite in den kommenden Jahren leicht in Vergessenheit geraten könnten. Was Guido Westerwelle bei seiner Ansprache an die Delegierten an thematischer Vielfalt zu bieten hatte, gereicht dann auch einer Volkspartei zu Ehren. Das soziale Gewissen der Liberalen drückt sich in der Absage an jegliche Steuererhöhungspolitik der Großen Koaltion aus und selbst in der Umweltpolitik will man den Grünen Paroli bieten. Solcherart ungewohnte Töne zielen allerdings weniger auf CDU und SPD als vielmehr auf die ungeliebten Konkurrenten in der Opposition. Mit dem neuen SPD-Vorsitzenden Kurt Beck hat sich für die FDP sichtlich die Alternative einer sozialliberalen Koalition im Bund eröffnet. Westerwelle kündigte daher an, erst vor der nächsten Bundestagswahl eine Koalitionsaussage treffen zu wollen, bis dahin darf man sich auf eine Poltik der Äquidistanz gefaßt machen. Je verschwommener das Profil von CDU und CSU in der Großen Koaltion wird, desto leichter dürfte es der FDP fallen, bürgerliche und konservative Wähler mit dem Angebot wirtschaftspolitischen Sachverstandes auf ihre Seite zu ziehen.

Posted by bo at 20:52
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Mittwoch, Mai 10, 2006

Deutschland einig Steuerland

Neue Belastungen für die Steuerzahler

Nun hat das Bundeskabinett das Steueränderungsgesetz 2007 beschlossen, welches Grundlage für eine Haushaltskonsolidierung im nächsten Jahr sein soll. Es enthält neben echten Steuererhöhungen, wie der Anhebung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent oder der sogenannten Reichensteuer auch etliche Subventionskürzungen. Letztere sind eindeutig zu begrüßen und stellen - wie fälschlicherweise oft behauptet - keine Mehrbelastungen für den Bürger dar, sondern sind alte Zöpfe eines Verteilungsgerechtigkeitswahns, der dieses Land teuer zu stehen kommt. So sieht das Gesetz die erschwerte Absetzbarkeit von Arbeitszimmern, eine Pendlerpauschale erst bei längeren Fahrten sowie die Herabsetzung der Altersgrenze beim Kindergeld vor. Alles in allem sollen die beschlossenen Maßnahmen dazu führen, daß die Bundesrepublik im kommenden Jahr endlich wieder das Brüsseler Defizitkriterium erfüllt, was bei guter Konjunkturentwicklung auch machbar sein sollte. Von einer Sanierung des desolaten Staatshaushaltes mit einer Gesamtverschuldung von 1,5 Billionen Euro kann dennoch nicht die Rede sein. Die große Koalition drückt sich, ähnlich wie Rot-Grün all die Jahre zuvor, vor einschneidenden Sanierungsmaßnahmen der öffentlichen Haushalte. Die verabschiedeten Steuererhöhungen werden die Konjunktur im nächsten Jahr nicht unterstützen und senden auch das falsche Signal an den Bürger aus. Anstatt konsequent zu sparen, holt sich der Staat das benötigte Geld eben beim Souverän. Zusätzlich verprellt man mit der neidgetriebenen Reichensteuer die Leistungsträger in Deutschland sowie mit der nochmaligen Herabsetzung des Sparerfreibetrags auf einen nurmehr symbolischen Wert viele Bürger mit kleinerem und mittlerem Vermögen. Die derzeit in Vorbereitung befindliche Unternehmenssteuerreform wird vermutlich unter dem Strich zu einer geringfügigen Entlastung vor allem der Kapitalgesellschaften führen. Daß auch die im Mittelstand vorherrschenden Personengesellschaften besser gestellt werden sollten, mußte Minister Steinbrück in den letzten Tagen erst beigebracht werden. Wie immer in Deutschland bastelt man jedoch an einer Reform, die weitgehend aufkommensneutral sein soll. Deutschlands unrühmliche Spitzenstellung bei den Unternehmenssteuersätzen in Europa wird man aber dadurch zumindest nominal abgeben. Das Beispiel anderer europäischer Reformländer jedoch zeigt, daß eine echte Entlastung von Bürgern und Unternehmen bereits nach kurzer Zeit zu einem insgesammt höheren Steueraufkommen führen würde. Gegen diesen Rat aller Wirtschaftsinstitute ist man in Berlin jedoch gefeit, zu tief sitzt der Glaube an die Allmacht des Verteilungsstaates.

Posted by bo at 22:19
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Freitag, April 28, 2006

Grundsatzdebatten

Koch verlangt Abgrenzung zur SPD

Wer hat nicht einmal in gutgläubiger Begeisterung, zum Beispiel kurz nach Erlangung des Wahlrechts, ein Parteiprogramm von CDU, SPD, FDP oder den Grünen gelesen. Erbauliches liest man da über das Selbstverständnis der jeweiligen politischen Partei, ihre Wertvorstellungen und politischen Grundsätze. Politische Prosa, die machmal pathetisch, bisweilen profan oft aber aber einfach nur geschwätzig daherkommt, der man aber auch wiederum nicht das Bemühen abstreiten möchte, allen Flügelinteressen nachgekommen zu sein und damit einen unverzichtbaren Beitrag für den innerparteilichen Frieden geleistet zu haben. Die SPD ersetzte das wegweisende Godesberger Programm von 1959, in welchem die Partei ihren Frieden mit der sozialen Marktwirtschaft gemacht hatte, erst 30 Jahre später durch das sogenannte "Berliner Programm". Das im Dezember 1989 verabschiedete Programm war also schon veraltet, kaum daß es verabschiedet war. Die umwälzenden Veränderungen der Jahre 1989 und 1990 in Europa trafen die SPD, die sich längst von der Deutschen Einheit verabschiedet hatte, unvorbereitet. Ihr neues Parteiprogramm war ein Produkt westdeutschen Spätsozialdemokratismus und blieb es bis zu seiner Ergänzung im Jahre 1998. In den letzten Jahren ist die Arbeit an einem neuen Grundsatzprogramm von den vielfachen Wechseln an der Parteispitze beeinträchtigt worden, und auch Matthias Platzeck ist nun aus seiner Arbeit herausgerissen worden. Kurt Beck wird nun auch diese Aufgabe von ihm übernehmen, und allem Anschein nach ist damit das langweiligste Parteiprogramm der SPD in ihrer langen Geschichte zu erwarten, denn der auf Ausgleich bedachte Parteivorsitzende will es anscheinend allen recht machen. Just zu dieser Zeit beginnt auch die CDU ihre Arbeit am neuen Grundsatzprogramm unter der Federführung ihres Generalsekretärs Pofalla. Zunächst wird man sich beim Koalitionspartner mit den Grundwerten beschäftigen und hat dazu auch gleich eine Programmkommission eingesetzt, will aber möglichst auch sämtliche Parteigliederungen bis hin zu den Kreisverbänden an der Debatte beteiligen. Pofalla gilt als Modernisierer und er wird dabei die Unterstützung seiner Parteivorsitzenden finden. Daß die beiden Koalitionspartner in diesen Wochen Schlagzeilen mit ihren Parteiprogrammen machen darf man auch als Ausdruck dringend benötigter Selbstvergewisserung verstehen. Insbesondere die Parteiprogrammatiker und Theoretiker in beiden Lagern können sich mit der Verwässerung der reinen Lehre in Koalitionsvertrag und alltäglicher Politik des Bündnisses aus CDU/CSU und SPD nur schwer abfinden. Da dient die Arbeit an den Parteipogrammen auch als Ventil und dürfte die Mobilisierung der eigenen Anhänger im Wahlkampf des Jahres 2009 erleichtern.

Posted by bo at 21:58
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Montag, April 17, 2006

Beck at Bay

Widerstand gegen Becks Plädoyer für höhere Steuern

Der gesundheitsbedingte Rücktritt Matthias Platzecks vom Amt des SPD-Vorsitzenden ist zu bedauern. Für seine eigene Partei, für die Große Koalition und auch für Deutschland. Platzeck verkörperte, abzulesen an seinem phänomenalen Wahlergebnis im letzten Jahr, eine ähnlich große Hoffnung für die SPD wie ehedem Angela Merkel für die CDU nach dem Niedergang in Folge der Spendenaffären. Die andere auffällige Gemeinsamkeit - beide stammen aus den neuen Bundesländern - ließ den Rückschluß zu, daß auch Platzeck, wenig ideologisch, dafür umso pragmatischer, Politik nicht als Karriere, sondern als notwendige Konsequenz aus den gemachten Lebenserfahrungen in einer Diktatur betrieb. Seine Herkunft und beruflicher Werdegang unterschieden ihn von vielen seiner Parteigenossen, vor allem denjenigen aus dem Westen Deutschlands, die in erheblichem Maße aus dem gewerkschaftlichen Umfeld oder dem öffentlichen Dienst stammen. Mit Kurt Beck steht nun eine neuer Vorsitzender in den Startlöchern, der nicht nur anders sozialisiert ist, sondern auch für eine althergebrachte sozialdemokratische Linie steht. Beck wirkt zwar nicht vordergründig ideologisch festgefahren, geschickt hält er von allen Parteiflügeln gebührenden Abstand. Doch lassen seine ersten Äußerungen erkennen, daß er klar dem etatistischen Lager zuzurechnen ist, welches soziale Gerechtigkeit mit Sozialstaat gleichsetzt. Wenn er sich, wie kürzlich, für höhere Steuern ausspricht, weil anders die notwendigen Infrastrukturmaßnahmen in Deutschland zu finanzieren seien, so darf man vermuten, daß mit Infrastruktur vor allem neue Büroflächen für die Bundesagentur für Arbeit gemeint sind. Für Angela Merkel und und ihre Regierung stellt der neue Vorsitzende der SPD zunächst keine Bedrohung dar, wenngleich Beck mit seinen unverhohlenen Avancen in Richtung FDP schon einmal klar gemacht hat, daß man auch anders könne. Er selber hat ja viele Jahre mit der FDP in Rheinland-Pfalz regiert, die er nun nach seinem Wahlsieg zwar nicht mehr braucht, doch mit dieser Erfahrung im Rücken erscheint er als die ideale Verkörperung einer sozial-liberalen Perspektive im Bund. Machtbewußt und mit strategisch richtiger Ausrichtung ist Beck ein ernstzunehmender Gegner für die Christdemokraten im Bund. Der Kampf um die Koalitionspartner FDP und Grüne wird zum Ende der Legislaturperiode (oder vorher?) voll entbrannt sein. Es ist zu befürchten, daß der SPD am Ende mehr Alternativen zur Auswahl stehen, selbst wenn man sich noch zu fein hält für ein Bündnis mit der Linkspartei.

Posted by bo at 22:01
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Freitag, März 31, 2006

Deutschland, deine Meinungsfreiheit

Ex-Kanzler streitet vor Landgericht

Ex-Kanzler Schröder erhält nicht nur 250.000 EUR Aufwandsentschädigung pro Jahr für seinen Aufsichtsratsposten bei dem russisch-deutschen Gaspipeline-Konsortium NEGP, nein, er möchte darüber hinaus auch dem FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle verbieten, ebenjenes Engagement kritisch zu würdigen. Per Einstweiliger Verfügung beim Hamburger Landgericht (unter Androhung eines in erstaunlicher Koinzidenz ebenfalls auf 250.000 EUR angesetzten Ordnungsgeldes), möchte Herr Schröder Herrn Westerwelle verbieten, den fragwürdigen Rollenwechsel Schröders vom politischen Unterstützer des Konsortiums zu seinem direkten Nutznießer kritisch zu würdigen. Dieser Fall erscheint um so lächerlicher als daß der Alt-Kanzler (das würdevolle Wort geht einem schwer über die Lippen) sich zwar im Vorsitzenden der Liberalen einen langjährigen Intimfeind zum Gegner auserkoren hat, jener sich aber im Meer der Kritiker, die auch in erheblichem Maße aus Schröders eigener Partei kamen, nurmehr wie eine Schaumkrone ausnimmt. Dabei offenbart dieser Fall erneut die Fragwürdigkeit des Rechtsmittels der Einstweiligen Verfügung in Fragen der Presse- und Meinungsfreiheit. So ist es beispielsweise möglich, ohne jede Gerichtsverhandlung und somit ohne jeden Zwang zur Glaubhaftmachung seiner Behauptungen eine Zeitung zum Abdruck einer Gegendarstellung zu zwingen. Notorische Juristen wie z.B. Schröders Kollege Gysi nutzen diese Gelegenheit weidlich und überziehen Zeitungen oder auch mal die Birthler-Behörde mit ihren Klagen, immer öfter mit Erfolg. Kaum ein Tag vergeht, an dem eine deutsche Tageszeitung oder ein politisches Magazin im Fernsehen nicht mit Gegendarstellungen aufwarten müssen. Ob eine SPD-Politkerin sich vom Spiegel bezüglich des Einsturzes der Halle in Bad-Reichenhall falsch zitiert fühlt, die Hamburger Morgenpost ihre Darstellung des jüngsten Wettskandals in der Bundesliga korrigieren muß oder Nanotech-Firmen ihre Produktpalette ins rechte Licht rücken wollen - die Presse ist gezwungen, den unbewiesenen Behauptungen Raum zu geben. Da die Frage nach der Wahrheit, insbesondere bei historischen Fragestellungen (wie z.B. derjenigen nach der Stasi-Mitgliedschaft Gregor Gysis), nicht auf dem formalen Wege einer Gegendarstellung geklärt werden kann, bleiben gesetzliche Zwangsmaßnahmen im Vergleich zu den Möglichkeiten einer freien und vielfältigen Presselandschaft, das schlechtere Mittel um die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen wirksam zu schützen. Wer sich im Recht fühlt, der wird, sofern sein Seelenheil davon abhängt, andere, ihm freundlich gesonnenere Journalisten finden, um sein Anliegen in die Öffentlichkeit zu bringen. Gerade Gerhard Schröder sollte hier noch über alte Bundesgenossen verfügen. In seinem Falle geht es ja auch gar nicht um die vermutete Unterstellung, er hätte aktiv an dem Zustandekommen des Vertrages über den Bau der Pipeline zu seiner Zeit als Bundeskanzler mitgewirkt, dies hat er vermutlich nicht. Allerdings hat er für das Projekt (manchmal auch für Rußland und Putin gleich mit) bis zur Grenze des Erträglichen Werbung gemacht und dafür gehört er zu Recht kritisiert.

Posted by bo at 7:33
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Montag, März 27, 2006

Eingewandert ist nicht gleich eingebürgert

Einwanderungspolitik: Kauder für "Nationalen Aktionsplan Integration"

Daß in den letzten Wochen zwischen den in Berlin vereinten Parteien der Großen Koalition eine mitunter recht hitzig ausgetragene Debatte um die deutsche Einwanderung- und Einbürgerungspolitik entbrannt ist, hatte sicherlich auch mit der zunehmenden Nervosität im nun zu Ende gegangenen Wahlkampf in drei Bundesländern zu tun. Die Union mißt dem Thema auch strategische und damit langfristige Bedeutung zu, da es die Möglichkeit zur Abgrenzung vom Koalitionspartner, ja sogar, wenn man so will, von allen anderen im Bundestag vertretenen Parteien bietet. Tatsächlich dürfen sich CDU und CSU berechtigte Hoffnungen darauf machen, daß viele Wähler, insbesondere in den Großstädten, die fatalen Auswirkungen einer planlosen Einwanderungspolitik in ihre Wahlentscheidung einbeziehen werden. Doch dürften sich die Parteistrategen in Berlin irren, wenn sie annehmen, das Wahlvolk würde nur die SPD als Buhmann für diesen Grundkonsens des Nichtstuns ausmachen. Noch viel weniger Aussicht auf Erfolg hat das Kalkül, mit einem "Nationalen Aktionsplan Integration" neue Wählerschichten gewinnen zu können. Zwar beschäftigt die Frage der Integration von Ausländern auch CDU-ferne Wähler, doch nimmt es eine viel zu untergeordnete Bedeutung ein, als daß sich damit jemand von seiner grundsätzlichen Wahlentscheidung abbringen lassen würde. Dabei taugt das Thema im Grunde auch nicht für Landtagswahlen, denn was, wenn nicht die Einwanderungspolitik ist eine nationale Frage. Die mittlerweile öffentlichen Fragebögen der CDU-Innenminister geben nicht nur Einblick in das biedere Geschichtsbild einer Ministerialbürokratie, sie sind auch ein wunderbares Beispiel der Verschwendung von Steuergeldern. SPD und Grüne allerdings bieten mit ihrer Polemik gegen eine vermeintlich von der Union verfolgte Abgrenzungspolitik sowie dem Vorwurf, am rechten Rand auf Stimmenfang zu gehen, nicht einmal einen plausiblen Debattenbeitrag, geschweige denn Lösungsansatz. Ob die Idee eines Fragebogens, der wahlweise entweder Gesinnungsschnüffelei betreibt oder Schulwissen abfragt, allerdings die Lösung des berechtigten Anspruchs der deutschen Gesellschaft an ihre neuen Mitglieder ist, den für ein friedliches und erfolgreiches Zusammenleben notwendigen Integrationswillen zu zeigen, sei dahingestellt. Üblicherweise sollte die Verleihung der Staatsbürgerschaft eine Frage der Zeit und gewisser formaler Voraussetzungen sein, wie z.B., daß der Bewerber in Lohn und Brot steht sowie mit dem Gesetz bisher nicht in Konflikt geraten ist. Wenn aber acht Jahre nicht ausreichen, einen Einwanderer sich zu seiner Wahlheimat und dem in ihre geltenden und von westlichen Werten bestimmten Grundkonsens bekennen zu lassen, dann stimmt etwas mit der Bindungskraft seiner neuen Heimat nicht, da helfen auch keine Fragebögen. Letztlich geht die Debatte um den Zeitpunkt der Verleihung der Staatsbürgerschaft, aber auch das formale Bekenntnis zur deutschen Gesellschaft, an der Realität vorbei, denn auch mit deutschem Paß würde ein türkischstämmiger Jugendlicher ohne Hauptschulabschluß nur schwerlich Arbeit finden. Die eigentlichen Integrationsprobleme aber anzugehen - und zuvorderst gehört hier das Bildungsproblem unserer von Unterschichtseinwanderern maßgeblich geprägten Migranten genannt - ist dennoch vonnöten, denn ohne Einwanderung wird Deutschland auch in Zukunft nicht auskommen. Dies sollte jedem schon allein aufgrund unserer bereits bedrohliche Ausmaße annehmenden demographischen Situation klar sein. Wir stehen seit vielen Jahren mit anderen europäischen Staaten sowie natürlich den USA in einem globalen Wettbewerb um die begabtesten und qualifiziertesten Einwanderer. Hierfür wären intelligente Konzepte gefragt, nicht jedoch dazu, welche Mittelgebirge es in Deutschland gibt.

Posted by bo at 4:50
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Freitag, März 10, 2006

Ein Bund aus sechzehn Ländern

Föderalismus-Debatte: Struck kritisiert eigenen Gesetzentwurf

Das hatten sich etliche Koalitionspolitiker anders vorgestellt. Den Parlamentariern im Bundestag war eigentlich nur noch die Rolle des Abnickens der Föderalismusreform zugedacht worden, die doch die Ministerpräsidenten, Parteiführer und die Bundesregierung längst schon "beschlossen" hatten. Nun haben sich die Abgeordneten in Berlin doch noch ihrer verfassungsgemäßen Rolle erinnert, denn schließlich bedarf es vor Inkrafttreten der neuen Gesetze immer noch der Zustimmung einer Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat. Bei der heutigen Debatte hat ausgerechnet der SPD-Franktionsvorsitzende Peter Struck die vakante Oppositionsrolle übernommen und Änderungsbedarf an dem Reformwerk angemeldet. Er äußerte vor allem Bedenken in der Frage der Verlagerung bildungspolitischer Kompetenzen auf die Länder und befürchtet wohl, daß sozialdemokratische Steckenpferde wie das Thema der Gesamt- und Ganztagsschulen im Wettbewerb der Länder unter die Räder kommen könnten. Die Auflösung des Kompetenz-Wirrwarrs zwischen Bund und Ländern ist das vorrangige Ziel des wichtigsten Reformvorhabens der Großen Koalition. Tatsächlich sollen künftig die Länder allein das Sagen über Hochschul- und Bildungspolitik haben, zudem wird es die Möglichkeit eigenständiger Regelungen beim Beamten- oder Strafrecht geben. Dafür geben sie Kompetenzen in Fragen des EU-Rechts, der Terrorismusbekämpfung oder des Umweltschutzes an den Bund ab. Die Aufteilung mag auf den ersten Blick willkürlich erscheinen, doch versprechen sich die Apologeten der Reform davon eine Reduktion der durch den Bundesrat zustimmungspflichtigen Gesetze von derzeit 60 auf ca. 35 Prozent, eine Behauptung, die allerdings noch vollkommen unbewiesen ist. Sollte diese Prognose zutreffen, so wäre die umfangreichste Gesetzesänderung seit 1949 tatsächlich ein wichtiger Schritt hin zu mehr Subsidiarität und Wettbewerb unter den Ländern. Bedauerlich ist lediglich, daß die Syphilis des deutschen Föderalismus - seine Finanzverfassung - wieder nicht angerührt wird. Die ordnungspolitisch verfehlten Regelungen zur Mischfinanzierung sowie der Bund-Länder-Finanzausgleich bleiben unangetastet und sollen angeblich in einem zweiten Schritt nachgeholt werden. Solcherart Lippenbekenntnisse können jedoch kaum überzeugen, wird die Notgemeinschaft aus Union und SPD in den nächsten Monaten doch noch mehr als genug mit dem Stapellauf der heute eingebrachten Reform zu tun haben.

Posted by bo at 20:18
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Sonntag, März 05, 2006

SAP kommt noch ohne Betriebs-Ratschläge aus

SAP: Betriebsratsfreie Zone

1972 ist die Geburtsstunde des größten deutschen IT-Unternehmens, der Beginn einer erstaunlichen Erfolgsgeschichte fünf ehemaliger IBM-Mitarbeiter, die sich in den folgenden Jahrzehnten anschickten, die mit 38.500 Mitarbeitern drittgrößte Software-Firma der Welt aufzubauen. Diesen beispiellosen Erfolg verdankt SAP der Idee seiner Gründer, daß die Zukunft der Informationstechnologie standardisierten Lösungen gehört, mit Hilfe derer sich vor allem große Unternehmen und ihre betriebswirtschaftlichen Prozesse steuern lassen, eine für die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts revolutionäre Idee. Der Zufall will es, daß das Jahr 1972 ebenfall das Geburtsjahr einer der einschneidensten gesetzgeberischen Maßnahmen zur Beschneidung unternehmerischer Freiheiten in Deutschland war: das zur Zeit der sozial-liberalen Koaltion verabschiedete Betriebsverfassungsgesetz. Dieses sieht weitgehende Mitbestimmungsrechte eines von den Arbeitnehmern und Gewerkschaften besetzten Betriebsrates vor, der als gewähltes Vertretungsorgan der Arbeitnehmerseite in sämtliche Entscheidungen über soziale und wirtschaftliche Angelegenheiten sowie insbesondere Personalangelegenheiten vom Unternehmen einbezogen werden muß. Das Gesetz wurde unter Rot-Grün im Jahre 2001 noch einmal erweitert, unter anderem um die Zuständigkeit des Betriebsrates für Umweltschutz und Fragen der Diskriminierung von Arbeitnehmern, vor allem jedoch wurde das Gesetz nun auch auf Kleinbetriebe ab 5 Mitarbeitern ausgedehnt. Bis vor kurzem war die heile Welt der SAP AG frei von den im Gesetz behandelten Sorgen und Nöten, wie die mehrfache Kür des Unternehmens zum Besten Arbeitgeber Deutschlands beweist. Die hochqualifizierten und zumeist auch hochdotierten Arbeitnehmer fühlten sich im Aufsichtsrat ausreichend von einer Anzahl selbstgewählter Kollegen vertreten, einen Betriebsrat im Sinne des Gesetzes gibt es bis heute nicht. Nun aber versucht die IG Metall erneut in Walldorf Fuß zu fassen. Die Wahl der Wahlvorstände, Voraussetzung für die Wahl eines Betriebsrates, endete vor wenigen Tagen zwar mit einer vernichtenden Niederlage der Initiatoren (90% Gegenstimmen), doch sieht das Betriebsverfassungsgesetz in diesem Falle einfach die Bestellung durch ein Arbeitsgericht vor, sofern ein Antrag von mindestens drei wahlberechtigen Arbeitnehmern oder einer im Berieb vertretenen Gewerkschaft vorliegt. Da bleibt Dietmar Hopp, einem der Gründer der SAP, nur, mit der Verlagerung des Hauptsitzes ins Ausland zu drohen, einer Maßnahme, die das Unternehmen, an dem er noch bedeutenden Anteile hält, allerdings auch nicht vor der Einflußnahme durch Betriebsrat und Gewerkschaften schützen würde. Seiner in einem offenen Brief vorgetragenen Kritik ist allerdings uneingeschränkt zuzustimmen: Das Betriesverfassungsgesetz in ein bürokratisches Monster aus längst vergangenen Tagen sozialdemokratischer Gleichmacherei und Regelungswut. Es mindert die Reaktionsfähigkeit eines Unternehmens, schränkt seinen Handlungsspielraum ein, gerade auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, und ersetzt den Wettbewerb der Unternehmen untereinander, der eben auch über das Angebot sozialer Leistungen und den Umgang mit seinen Mitarbeitern geführt wird, durch eine typisch deutsche Gleichmacherei. Das Gesetz in seiner derzeitigen Form ist ein klarer Wettbewerbsnachteil für unsere Unternehmen und kostet uns im Zeitalter der Globalisierung Arbeitsplätze. Aber darum geht es den Gewerkschaften als Interessenvertretung der Arbeitsplatzbesitzer selbstverständlich nicht.

Posted by bo at 17:54
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Mittwoch, März 01, 2006

Wenn die Linke nicht weiß, was die Linke tut

WASG will mit Urabstimmung Verhältnis zur Linkspartei klären

Der Gewerkschafter und WASG-Vorsitzende Klaus Ernst setzt angesichts einer aufmüpfigen Basis nun zur Vorneverteigung an. Auf die zunehmend besorgniserregenden Nachrichten aus den Landesverbänden Berlins und Mecklenburg-Vorpommerns reagierte der ehemalige Sozialdemokrat heute mit der Ankündigung einer bundesweiten Urabstimmung über die geplante Fusion der WASG mit der Linkspartei/PDS. Vermutlich erhofft sich die WASG-Führung davon, der renitenten Parteibasis den Wind aus den Segeln nehmen zu können, auch auf die Gefahr der Abspaltung einzelner Landesverbände hin. Zwar sind die gemeinen Mitglieder der Wahlalternative vom Vorhaben des Zusammengehens mit der Linkspartei nicht ganz so überzeugt wie ihr Vorstand, dem die Listenverbindung zur Bundestagswahl so viele schöne Posten und Mandate eingebracht hat. Doch dürfte die Mehrheit der Basis für die Vereinigung der zwei linken Parteien stimmen und die sektiererischen Berliner Genossen am Ende sich selbst überlassen. Die drohende Gefahr eines Verlustes des Fraktionsstatus im Bundestag wird mittlerweile allerdings nicht mehr als so groß angesehen, da schon die Linkspartei allein über die dafür notwendige Abgeordnetenzahl verfügt und somit höchstens die Auflösung der Fraktionsgemeinschaft die Folge einer gescheiterten Fusion sein könnte. Derweil fühlen sich Klaus Ernst und Oskar Lafontaine vom Mantel der Geschichte umweht, wenn sie trotz aller Widrigkeiten die historische Mission beschwören, eine geeinte Linke in Deutschland schaffen zu wollen, die sich dem neoliberalen Zeitgeist entgegenstelle. Diese Analyse irrt zwar, denn die Linke in Deutschland bliebe auch weiterhin in wenigstens drei Parteien zergliedert. Doch aller berechtigen Schadenfreude über das Gezänk zwischen Linken aller Couleur zum Trotz, ändert sich an den langfristigen Aussichten für das Expansionprojekt der ehemaligen PDS nach Westen wenig. Dem "Erfolg" bei der letzten Bundestagswahl werden weitere folgen und in gleichem Maße die Befürworter einer engeren Zusammenarbeit mit der Linkspartei in der SPD an Gewicht gewinnen. Dem neoliberalen Lager bleibt da nur die wage Hoffnung auf eine Besinnung der grünen Schmuddelkinder auf die Wurzeln ihrer bourgeoisen Herkunft.

Posted by bo at 24:28
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Freitag, Februar 24, 2006

Das Haushaltsloch 2006

Germany's economics and finance ministers

Der nunmehr von Finanzminister Steinbrück vorgelegte Bundeshaushalt 2006 ist wahrhaftig ein Beispiel unverfrorener Politik, eine Schmierenkomödie, die von den eigenen Koalitionspolitikern in einem Politiker-Neusprech aufgeführt wird, welches an Heuchelei nicht zu überbieten ist. Herr Steinbrück spricht tatsächlich davon, mit diesem Etatentwurf den "Konsolidierungspfad" betreten zu haben. Tatsächlich aber handelt es sich um die Fortsetzung einer mittlerweile mehr als 30jährigen Tradition bundesdeutscher Politik, einen gefräßigen Staatsapparat und seine vielfältigen Nutznießer auf Kosten kommender Generationen zu finanzieren. Zu den erschreckenden Details des Haushaltsentwurfs gehört, daß die Bundesrepublik Deutschland in diesem Jahr genau so viele Euro als Kredite aufnehmen wird wie sie an Zinsen für die bisher angehäuften Schulden zu zahlen hat. Man stelle sich dies einmal für einen Privathaushalt vor. Die Denkweise nicht nur vieler Sozialdemokraten in der Großen Koalition wird deutlich, wenn man die Behauptung, der Staat leide an schwindenden Steuereinnahmen und nicht an seinen überbordernden Ausgaben, an der nun im Entwurf ablesbaren Realität mißt. In Wirklichkeit wird im Vergleich zum Etat 2005 für den diesjährigen Haushalt mit steigenden Steuereinnahmen gerechnet. Diese werden allerdings nicht zu einer echten Haushaltskonsolidierung genutzt, sondern man packt sogleich auf der Ausgabenseite noch einmal 2 Milliarden Euro mehr drauf. Mittlerweile werden fast 50% aller Ausgaben von Steinbrücks Genossen Franz Müntefering verantwortet, dessen Ministerium für Arbeit und Soziales in der Tat den Titel Superministerium verdient. Daß der vorgelegte Haushalt 2006 wieder einmal gegen die Neuverschuldungsgrenze unserer Verfassung verstößt und mit einem Staatsdefizit von 3,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts vermutlich zum fünften Mal in Folge die Brüsseler Stabilitätskriterien verletzten wird, scheint hierzulande niemanden mehr ernsthaft zu beunruhigen. Ohne eine starke Opposition im Parlament sind die Aussichten schlecht, diese konzeptions- und verantwortungslose Politik zumindest einer breiten öffentlichen Kritik zu unterziehen. Statt dessen werden wir erleben, daß Steinbrücks Machwerk den Bundestag so geräuschlos und zügig wie lange nicht mehr passieren wird.

Posted by bo at 22:52
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Mittwoch, Februar 15, 2006

Gesinnungsethik im Verfassungsgericht

Verfassungsklage zum Luftsicherheitsgesetz

Die Klage gegen das erst im letzten Jahr verabschiedete Luftsicherheitsgesetz vor dem Bundesverfassungsgericht hatte heute Erfolg. Das Gesetz, welches den Abschuß von Flugzeugen erlaubt, die sich in der Hand von Terroristen befinden und zur Gefahr für die allgemeine Sicherheit werden könnten, wurde für unvereinbar mit dem Grundgesetz befunden. Maßgeblich hierfür sind die Regelungen des Artikels 35, der den Einsatz der Bundeswehr im Innern eingrenzt, in Verbindung mit dem Recht auf Leben und der Menschenwürdegarantie der Artikel 1 und 2. Demnach sei generell der Einsatz von militärischen Waffen durch die Bundeswehr nicht vom Grundgesetz abgedeckt. Die Tötung tatunbeteiligter Personen, selbst wenn sie der Verhinderung eines größeren Verbrechens diene, sei mit den Grundsätzen unseres Rechtssystems nicht vereinbar. Diese Rechtsprechung entspricht den schon während des Gesetzgebungsverfahrens geäußerten Bedenken, daß die Verabschiedung des Luftsicherheitsgesetzes allein womöglich nicht ausreichend sein werde, sondern von einer Grundgesetzänderung flankiert werden müsse. Das heutige Urteil jedoch läßt nicht erkennen, wie man die Schranken, die Artikel 1 und 2 aufstellen, durch eine Anpassung des Artikels 35 überwinden könnte. Man kann das Urteil durchaus so lesen, daß der Erste Senat lediglich die Logik des finalen Rettungsschusses - also einer Situation, bei der nur der Täter Schaden nimmt - für verfassungskonform hält. Die Karlruher Richter erteilen damit bedauerlicherweise einer Gesinnungsehtik die Absolution, die Abwägungsentscheidungen im Sinne der Frage, ob das Leben Hundertausender mehr wert sei als das Leben von 100 Flugzeugpassagieren, unmöglich macht. Kompromisse, wenngleich selten auf Leben und Tod, sind aber das tägliche Brot politischen Handelns, und natürlich muß ein Staat in Ausnahmesituationen das Leben Vieler gegen das Leben Weniger abwägen. Dies tut er auch, wenn er das Leben seiner Soldaten in Afghanistan riskiert, um die Sicherheit seiner Bevölkerung vor terroristischen Gefahren zu erhöhen oder die Abtreibung von Föten straffrei stellt und der Selbstbestimmung der Mutter unterordnet. Erst recht aber sollte der Staat in einer kriegsähnlichen Ausnahmesituation, und als solche darf man die Szenarien, auf die das Luftsicherheitsgesetzt gemünzt ist, durchaus begreifen, nicht der Möglichkeit beraubt werde, eine verantwortungsethische Abwägung vorzunehmen, die dem Wohl der Mehrheit gerecht wird. Wie und ob überhaupt noch einmal die derzeitige Bundesregierung allerdings den heute vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen gordischen Knoten lösen will, läßt sich derzeit nicht erkennen.

Posted by bo at 23:54
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Donnerstag, Februar 09, 2006

Wenn Dein starker Arm es will

Öffentlicher Dienst: Streikfreude im Westen größer als in Sachsen

Mehr Geld im Portemonnaie, nicht gar zu lange arbeiten und mit dem erkämpften Geld zum Wohle der Volkswirtschaft aus vollem Herzen dem Konsumrausch frönen - dies sind die schlichten, aber populären Ziele der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi im seit Montag anhaltenden Streik des öffentlichen Dienstes in Baden-Württemberg. Dem Aufruf zum ersten Arbeitskampf im öffentlichen Dienst seit 12 Jahren werden in Kürze auch Gewerkschafter in Hamburg und Sachsen folgen. Als Gegner hat man sich ausgerechnet die bettelarmen Kommunen ausgesucht, die ihren Bediensteten eine moderate Arbeitszeitverlängerung von wöchentlich 1,5 Stunden verordnen wollen. Ginge es nach dem wirtschaftspolitischen Sachverstand der Berufsfunktionäre, dann würden eine einheitliche Wochenarbeitszeit von 10 Stunden bei vollem Lohnausgleich und Kündigungsfristen nicht unter 3 Jahren schon in naher Zukunft zu einem Wirtschaftswachstum von 10 Prozent sowie einer Null-Arbeitslosigkeit führen. Die immer wieder gleichen Rezepte von einer Ankurbelung der Binnenkonjunktur mit Hilfe eines kräftigen Schluckes aus der Lohnpulle werden von Verdi-Chef Bsirske in diesem Streik nicht einmal explizit bemüht. Ihm geht es vielmehr um die Machtfrage, wer wem die Bedingungen in den Tarifverhandlungen diktiert - Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, und er hat dabei seine schwindende Mitgliederzahl fest im Auge, die solcherart Feldherrenrhetorik trotzig in die Tat umsetzt. Leidtragende sind die steuerzahlenden Bürger, die sich mit den Streikenden nicht solidarisieren, sondern sich klar machen sollten, daß die Verdi-Forderungen zu noch höheren Schulden der öffentlichen Hand und weiteren erheblichen Investitionsstaus in den Städten und Gemeinden führen würden. Mag auch die Maskerade gewerkschaftlicher Partikularinteressen als Allgemeinwohl am Ende Erfolg haben, die Kommunen und Länder werden ihre Konsequenzen aus der unflexiblen Haltung ihrer Angestellten ziehen, die da lauten könnten: weitere Privatisierungen oder gar betriebsbedingte Kündigungen. An einer Verschlankung des öffentlichen Dienstes führt so oder so kein Weg vorbei.

Posted by bo at 22:33
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Donnerstag, Februar 02, 2006

Demokraten und Soldaten

Verteidigungsminister soll zwei Spitzenmilitärs schassen

Als vor wenigen Tagen der spanische Verteidungsminister José Bono zunächst acht Tage Hausarrest und dann die Entlassung für den Chef der spanischen Landstreitkräfte, General José Mena Aguado, anordnete, fühlte sich so mancher Beobachter an unselige Zeiten in Spanien erinnert. Erst 30 Jahre ist es her, daß sich das heute so moderne und prosperierende Spanien von der Franco-Diktatur befreien konnte, und seitdem hat es 1981 sogar noch einmal den anachronistisch anmutenden Versuch eines Militärputsches gegeben. Spanien kann auf eine bald zweihundertjährige Tradtion militärischer Coups zurückblicken, und so ist es verständlich, daß auch heutzutage die politische Klasse äußerst empfindlich auf politische Kommentare aus dem Generalsstab reagiert. Entzündet hatte sich der Streit an einer Rede des Generals, in der er indirekt das Militär dazu aufgefordert hatte, die Einheit Spaniens angesichts der drohenden Verabschiedung eines Statuts, welches der Region Kalalonien größere Autonomierechte einräumt, zu verteidigen. Während es in Spanien immerhin um Existenzfragen geht, reicht dem deutschen Verteidigungsminister Jung dieser Tage eine geradezu läppisch anmutende Affäre um die unzulässige Weitergabe von Ermittlungsakten gegen den Sohn des stellvertretenden Heeresinspekteurs Jürgen Ruwe, um zu ähnlich drastischen Mitteln zu greifen. Jung ordnete an, Ruwe sowie den stellvertretenden Generalinspekteur Hans-Heinrich Dieter in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen, da sie, so der unausgesprochene Vorwurf, sich der unzulässigen Weitergabe von Diensgeheimnissen schuldig gemacht hätten. Offiziell geschah die Entlassung ohne Angabe von Gründen. Die beiden Generäle griffen nun vor wenigen Tagen zu der ihnen einzig verbleibenden Gegenwehr, indem sie ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst beantragten, um die wahren Gründe, die zu ihrer Entlassung geführt haben, untersuchen zu lassen. Ex-General Dieter vermutet gar, daß der CDU-Verteidigungsminister Jung lediglich einen Vorwand gesucht hätte, ihm, der sich z.B. kritisch gegenüber dem Heimatschutzkonzept der CDU/CSU-Regierungsfraktion geäußert hatte, den Laufpaß zu geben. Sicherlich ging es in diesem Fall weniger um die Frage, wer die Macht im Staate ausübt, und damit erschöpfen sich auch schon die Parallelen zum Vorgang in Spanien. Dennoch überrascht das offensichtlich schon länger gestörte Verhältnis hoher Militärs zu ihren zivilen Vorgesetzten. Eine Ursache könnte in dem gewachsenen Selbstbewußtsein deutscher Generäle liegen, die längst keine Kasernenarmee mehr befehligen, sondern sich ihre Sporen bei Einsätzen in aller Welt verdient haben. Sie treffen auf eine Politikergeneration, die erst vor wenigen Jahren damit begonnen hat, Deutschlands wirtschaftlicher Bedeutung sicherheitspolitische Verantwortung folgen zu lassen und die bisweilen abenteuerlich anmutende Vorstellungen von der Leistungsfähigkeit der Bundeswehr hat. Als politische Beamte sind Generäle wie Ruwe und Dieter vollständig vom Vertrauen abhängig, welches ihre demokratisch gewählten Vorgesetzten in sie setzen, doch auch die Politik sollte die Loyalität ihrer Bürger in Uniform nicht leichtfertig aufs Spiel setzen, denn diese riskieren mittlerweile jeden Tag ihr Leben bei Aufgaben, für die selbst das Wahlvolk immer wieder aufs Neue überzeugt werden will.

Posted by bo at 24:38
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